Berlin, 6. April 2011. Der Startschuss für das größte Endoprothesenregister in Europa ist gefallen. Vom Endoprothesenregister Deutschland (EPRD) profitieren nicht nur die fast 50 Millionen Versicherten der AOK und der Ersatzkassen, die das EPRD unterstützen, sondern prinzipiell alle Patienten.

Mit Hilfe des EPRD ist es leichter als bisher möglich, Probleme bei künstlichen Hüft- und Kniegelenken zu identifizieren. Ärzte, Industrie und Krankenkassen stellten das EPRD heute in Berlin gemeinsam der Presse vor.

Das Einsetzen von künstlichen Hüft- und Kniegelenken gehört zu den häufigsten Operationen in Deutschland. Allein im Jahr 2009 haben Ärzte rund 390.000 Hüft- und Knie-Endoprothesen bei Patienten mit starkem Gelenkverschleiß (Arthrose) oder nach Brüchen eingebaut. Darin enthalten sind knapp 35.000 Wechseloperationen, bei denen die Kunstgelenke aus unterschiedlichen Gründen ausgetauscht werden mussten. Hier setzt das EPRD an.

„Beispiele aus anderen Ländern zeigen, dass sich mit Hilfe eines Endoprothesenregisters die Rate der vermeidbaren Wechseloperationen deutlich senken lässt“, sagt Professor Dr. Joachim Hassenpflug, Geschäftsführer der EPRD gGmbH, die das Endoprothesenregister Deutschland betreibt. So hat sich in Schweden die Revisionsrate seit Einführung eines Registers Ende der 70er Jahre fast halbiert. „Überträgt man diese Erfahrungen beispielhaft auf deutsche Verhältnisse, ergibt sich bei vorsichtiger Schätzung ein Einsparpotenzial im mittleren zweistelligen Millionenbereich, weil sich die Rate der Frührevisionen und die längerfristige Wechselquote entsprechend verringert haben“, erläutert Hassenpflug, der zugleich Direktor der Klinik für Orthopädie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel ist. „Vor allem aber bleiben vielen, meist älteren Patienten das Risiko und die Schmerzen eines erneuten Eingriffs erspart“, so Hassenpflug.

Doch wie funktioniert das Endoprothesenregister Deutschland in der Praxis? Im Kern geht es darum, Daten von Krankenkassen (derzeit: AOK und Ersatzkassen) sowie von Kliniken über den Einbau von künstlichen Knie- und Hüftgelenken in pseudonymisierter Form zusammenzutragen und unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten auszuwerten. Dadurch ist es möglich, mehr über die Gründe für eine Wechseloperation zu erfahren, etwa ob es zu Komplikationen beim Einbau gekommen war oder ein vorzeitiger Verschleiß des Implantats die Ursache ist.

Das EPRD greift dafür auf ohnehin vorhandene Abrechnungsdaten der Krankenkassen und ebenfalls von den Kliniken bereits erhobene Daten aus der gesetzlich vorgeschriebenen Qualitätssicherung zurück. Zusätzlich werden im Rahmen des EPRD alle Hüft- und Knie-Endoprothesen vor ihrem Einbau mit Hilfe einer neuen Software und eines Barcode-Systems im Krankenhaus erfasst. Das EPRD nutzt zudem eine von der Industrie neu geschaffene Implantat-Datenbank, in der auf dem deutschen Markt verwendete Endoprothesen verzeichnet sind.

Träger des EPRD ist die EPRD gGmbH, eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC). Die DGOOC macht sich bereits seit mehreren Jahren für ein Endoprothesenregister stark. „Um so erfreulicher ist es, dass nun gleich mehrere Beteiligte beim EPRD an einem Strang ziehen“, sagt DGOOC-Generalsekretär Professor Dr. Fritz Uwe Niethard. Er setzt darauf, dass auf Dauer weitere Krankenkassen und vor allem zahlreiche Krankenhäuser beim EPRD freiwillig mitmachen. Niethard: „Kliniken können ihre medizinische Qualität mit dem Register steigern. Das stärkt ihre Position am Markt.“

Dass der AOK-Bundesverband das EPRD unterstützt, liegt für den stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden Jürgen Graalmann nahe: „Was bei Autos funktioniert, nämlich über Produktmängel zu informieren, wird künftig durch das EPRD auch bei Implantaten leichter als bisher möglich. Die AOK engagiert sich seit langem für mehr Transparenz und Qualität in der Versorgung, etwa mit dem AOK-Krankenhausnavigator.“ Graalmann weiter: „Wir planen, die am EPRD beteiligten Kliniken in unserem Navigator besonders hervorzuheben.“

Der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) geht davon aus, dass sich die schon heute hohe Qualität der Versorgung mit künstlichen Hüft- und Kniegelenken durch das wissenschaftlich fundierte EPRD weiter steigern lässt. „Mit ihrem Engagement beim EPRD unterstreichen die Unternehmen ihre Verantwortung für die Patienten“, sagt Joachim M. Schmitt, Geschäftsführer und Vorstandsmitglied des BVMed. Deshalb übernehmen die Unternehmen den Aufbau einer Implantat-Datenbank und beteiligen sich an Software-Entwicklungskosten.

Für den Verband der Ersatzkassen (vdek) steht die Patientensicherheit im Vordergrund: „Leider gibt es Hinweise darauf, dass in Deutschland vergleichsweise viele Endoprothesen eingesetzt werden, bei denen später Revisionsoperationen notwendig sind“, erklärt Vorstandsvorsitzender Thomas Ballast. Vom EPRD erhofft sich Ballast auf Sicht schneller als bisher Rückschlüsse auf Qualitätsmängel. Zugleich appelliert er an die Kliniken, sich möglichst zahlreich am EPRD zu beteiligen.